Teil 01 | Teil 02
Hier nun gehts weiter mit Teil drei meiner Geschichte:
War es vielleicht sein Auge, das ihm fehlte, oder doch etwas anderes? Das wissen wir nicht, er selbst wusste es aber auch nicht so genau. Vielleicht waren es auch einfach seine großen Füße, auf die er dann, wenn er sich in den Pfützen betrachtete, zwangsläufig gucken musste und die -bis heute- noch immer keine passenden Schuhe bekommen hatten. Natürlich, als Wohnungsteddybär braucht man die auch nicht, man sitzt ja gemütlich im Sessel oder auf dem Bett, futtert Schokolade und lässt es sich ansonsten gut gehen. Doch wenn man gern mal unterwegs ist, sind die schon ziemlich praktisch.
Ach, wie ärgerte er sich immer darüber, wenn er nach dem zurückkommen im Laden eben nicht schnurstracks zu den Püppchen eilen und von von seinen Erlebnissen berichten konnte, sondern eine gefühlte Ewigkeit unter der Heizung sitzen bleiben musste, bis die nassen Trieftatzen endlich trocken waren. Man könnte sich mit so einem Paar Schuhe viel Zeit sparen, anstatt gelangweilt in dieser dunklen Ecke herum zu hocken.
Doch die kleinen Wellen, von den herabfallenden Tröpfchen verursacht, lenkten ihn recht schnell von seinem Gebrummel ab und ließen ihn lächeln. Überhaupt brauchte es immer eine ganze Weile, bis er seinen Blick von den kleinen Seen lösen konnte, um weiter zu gehen. Meist passiert das kurz nachdem es aufgehört hat zu regnen, denn dann wundert er sich über das ausbleibende plätschern und guckt, traurig darüber, dass die kleinen Wasserdiamanten nicht mehr spielen wollen, in den Himmel. Dennoch ziert sein Gesicht ein verträumter, zufriedener Blick, den er recht lange beibehält. So spaziert er gemächlich weiter und seine Füße sind im Nu vergessen.
Sein Weg führt ihn dann zunächst vorbei an einer alten Werkstatt für Automobile, die schon lange nicht mehr geöffnet hat. Aber auch Fahrräder, Motorräder oder andere Gerätschaften wurden dort repariert. Früher verabredete er sich dort oft mit Garfield, einem freundlichen, orangefarbenen Kater aus Plüsch, um gemeinsam in der gleich nebenan liegenden Pizzeria Abend zu essen. Dieses Resaturant teilte die Gasse etwa zur Hälfte und hieß 'Paolo's: Pizza con Tradizione', was so viel bedeutete wie 'Paolo's: Pizza mit Tradition' und bot ein großes Menü für die kleinen Schleckermäulchen. Dieser Paolo hatte nämlich nicht nur die Gabe, leckerste Gerichte zu kreieren, sondern auch ein Herz für alle Arten armer Geschöpfe.
Egal ob Mensch oder Tier, er bot jedem bedürftigen Wesen einen Platz und eine Mahlzeit. Für die Tiere selbst konnte er natürlich keinen Tisch im Restaurant bereitstellen, doch hatte er am Nebeneingang, der in die Gasse führte, einen kleinen Bereich mit Pappe ausgelegt, auf der er die Essensreste für sie bereit stellte. Je nach Tagesmenü stand immer etwas anderes auf dem Speiseplan. Sah er sie, grüßte er freundlich, wünschte einen guten Appetit und war sogleich wieder verschwunden, um drinnen seiner Arbeit nachzugehen oder unterhielt sich noch einen Moment mit den hungrigen Besuchern.
Wie, er sprach mit Tieren und Plüschspielzeug? Wie geht denn das? Och, das ist doch nichts Besonderes! Paolo war zwar nicht mehr der Jüngste, aber, wie viele Kinder auch, noch immer aufgeschlossen dem Ungewöhnlichen gegenüber und hatte neben einer großen Portion Fantasie auch ein genau so großes Herz. Das reicht aus um zu wissen, dass auch Teddies und Tiere sprechen können. Alle jene, die immer sagen 'das geht nicht' oder 'das ist unmöglich', hätten ihren Funken verloren, wie er einmal sagte - und das würde sie davon fernhalten, die anderen Wesen und Welten zu verstehen. Die beiden mochten ihn sehr.
Bei so einem donnerstäglichen Abendessen, das aus Canneloni-Resten und Lasagne-Scheibchen bestand, erzählte Garfield mit verschmierter Schnute beiläufig, dass er ja im Grunde gar nicht so hieße, wie er ständig gerufen wurde. Eigentlich wäre sein richtiger Name ja Glen, doch fast alle Menschen würden ihn immer nur Garfield rufen, seit er aus dieser unbequemen Verpackung geholt wurde. Er fand durch Paolo schließlich heraus, dass dieser andere Name, den er überhaupt nicht mochte, auf seiner Verpackung aufgemalt war und zu einem bekannten Fernsehstar gehörte. Von da an hörte er auf damit, zu versuchen, auf seinem richtigen Namen zu bestehen – denn niemand interessierte sich dafür.
Bis jetzt, denn Heinz hatte neben seinen großen Füßen auch entsprechend große Ohren, die ab jenem Zeitpunkt ganz genau auf 'Garfield' gerichtet waren und ihm zuhörten. Nur war eben das, was er da hörte, etwas, das er nicht gerne hörte - und außerdem fand er es unerhört. Denn wenn er sich vorstellte, wie schlimm das sein musste, ständig für jemand anderen gehalten zu werden, würde man doch irgendwann verrückt werden – und da musste er etwas für den armen Kater tun. Von nun würde er ein jedes Mal, wenn die beiden zusammen waren, Glen mit seinem richtigen Namen ansprechen.
Glen freute sich sehr über diese nette Geste und begleitete den Teddy nun häufiger auf seinen Spaziergängen. So konnten sie sich nach einem ausgiebigen Schmaus die Pfötchen vertreten und gemeinsam die Stadt erkunden. Da Glen schon sehr lange dort lebte und sich bestens in der Nachbarschaft auskannte, zeigte er Heinz wichtige und interessante Orte oder warnte ihn vor Gegenden, die man besser nicht besuchte.
Zum Beispiel die baufälligen Bruchbuden, durch deren zerbrochene Fenster hörbar und gruselig pfeifend der Wind wehte, was ihm immer etwas Angst machte. Der Kater aber pfiff sich selbst eins und beruhigte ihn, dass es da nichts Schlimmes drin gebe und nahm ihn eines Abends mit. Mulmig war dem Heinz da schon etwas, denn allein die Haustür, die nur noch an einer Angel hing und beim hin- und herschwingen metallisch qietschte, ließ ihn an Glen kleben. Der hatte auch die viel besseren Augen und sah im schummrigen Licht wesentlich besser. Doch selbst wenn unser Teddy dort mehr gesehen hätte, wäre absolut gar nichts dabei, dass ihn auch nur eine Minute länger freiwillig dort verweilen ließe. Da er nun aber schonmal da war und Glen ihm Mut zusprach, blieb er in dessen Nähe.
Diesen Beitrag kommentieren..